In jeder Ehe wird der Tanz zwischen Nähe und Distanz getanzt. Ein Tanz, dem wir Menschen uns nicht entziehen können und bei dem wir uns gegenseitig regelmäßig und schmerzhaft auf die Füße treten. Dabei kommen wir auch mit tief liegenden Ängsten einerseits vor Verlassenheit und anderseits vor Überflutung in Kontakt.
Was braucht es für Bedingungen für das langfristige Gelingen einer Partnerschaft? Emotionale Nähe stellt einen zentralen Aspekt dar: Nähe kann auf verschiedene Art entstehen: körperlich, emotional, mental, oder im gemeinsamen Handeln. Das Ausmaß an Intimität steigt, je mehr diese Arten von Nähe zwischen Partnern regelmäßig stattfinden. Eine solcher maßen intime Beziehung erlaubt den Partnern, ihre innersten Persönlichkeitsanteile, ihre tiefsten Gefühle, ihre verletzlichen Seiten in die Beziehung einzubringen und mit diesen wahrgenommen zu werden. Intimität dieser Art führt dazu, sich in einer Partnerschaft wohl, erfüllt und sicher zu fühlen. Dies bildet eine gute Grundlage für konstruktive Klärung von Konflikten und Aufarbeiten von emotionalen Verletzungen und Missverständnissen.
Was sind die größten Fallen bei einem Streit?
Vorwürfe und Schuldzuweisungen sind das größte Gift in einem Streit. Anstatt Verantwortung zu übernehmen wird versucht zu manipulieren. Dies führt meistens zu einem aussichtslosen Machtkampf, der sehr verletzend ist.
Wie kann man potentiellen Streitsituationen aus dem Weg gehen?
Wichtig ist ein Bewusstsein für die eigene Persönlichkeit mit ihren individuellen Mustern, Eigenheiten und Empfindsamkeiten. Dieses Wissen führt zu einer größeren Flexibilität im Verhalten. Als erwachsene Person muss ich nicht einen Streit aushalten oder ausfechten. Betroffene können lernen ihre Gefühle und ihre Emotionen besser zu regulieren um sich dem Geschehen nicht hilflos ausgeliefert zu fühlen.
Ist es möglich dauernde Streitigkeiten um ein und dasselbe Thema nachhaltig zu vermeiden?
Durch Achtsamkeit und Verstehen gewinne ich die Fähigkeit des neutralen Beobachtens. Dadurch kann ich den Teufelskreis des Rechthabens schneller erkennen und habe die Möglichkeit zu unterbrechen oder wegzugehen. Wir können immer nur bei uns selbst anfangen und akzeptieren, dass es nicht in unserer Macht liegt, andere Menschen zu verändern.
Wie streitet man eigentlich richtig? Gibt es da Tricks?
Für die persönliche Entwicklung ist es positiv, gemeinsam Lösungen zu finden. In diesem Prozess ist es wichtig, Störungen nacheinander zu behandeln und sich einen Zeitraum dafür auszumachen. Ein Partner sagt, was ihn oder sie stört und der andere hört zu. Solange bis er oder sie sich gehört, gesehen und verstanden fühlt. Dadurch können Missverständnisse aufgelöst werden. In einer Paartherapie können Paare Partnergespräche lernen und üben.
Denn mit herausfordernden Emotionen auf eine gute Art und Weise umzugehen, muss gelernt werden. Unangenehme Gefühle wegzuschieben ist nicht empfehlenswert. Die eigene Verletzlichkeit anzusprechen ist nicht immer einfach. Denn damit lassen wir unseren Schutz fallen und zeigen unser Inneres. Das wird aber im besten Fall bei meinem Gegenüber mehr Empathie und Verständnis wecken, als Vorwürfe oder Anklagen.
Kann es vor allem bei jungen Pärchen passieren, dass der Alltag einen einholt?
Bei einem jungen Paar stellen sich folgende Entwicklungsaufgaben:
Die hohen Ich-Ideale dürfen junge Paare oft als Illusion erkennen. Diese loszulassen oder zu verändern ist ein schmerzhafter Prozess. Heute sprechen wir in diesem Fall von narzisstischer Kränkung.
Eine gute Kommunikation und Kooperation entwickeln hilft. Im Gegensatz dazu wird eine Paarbeziehung dauerhaft ruiniert durch:
- Kritik, Schuldzuweisungen, Anklagen
- Abwehr, Verteidigung mit Rechtfertigung
- Verachtung, Geringschätzung und
- Rückzug
Wieso halten Beziehungen viele Jahre und nach der Hochzeit kommt es zur Scheidung?
Weil ein Vertrag nicht die tiefliegenden, oft unbewussten kommunikativen Probleme löst. Es ist unumgänglich sich mit den traditionellen Rollenbildern von Mann und Frau auseinander zusetzen. Ausbalancieren von Autonomie und Bindung, einen eigenen Raum für Zweisamkeit und Sexualität schaffen, gemeinsame Sinn- und Lebenswelten finden und ein gutes Team werden.